Inspiriert von den faszinierenden Details des Meisterwerks Der Garten der Lüste von Hieronymus Bosch, kombiniert der ungarische Künstler David Szauder traditionelle Bildsprache mit modernster KI, um eindrucksvolle neue Bildwelten zu erschaffen. Christoph Künne hat mit ihm in Berlin über seine Arbeit gesprochen.
Lang war die Schlange vor dem „Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch im Prado in Madrid. Als David Szauder endlich an der Reihe war, durfte er bis auf Armlänge an das Gemälde heran. Die Spanier sind in dieser Hinsicht deutlich entspannter als die Deutschen. Gerade bei diesem Werk, das mit seinen vielen Details und faszinierend skurrilen Szenen einem Wimmelbild gleicht, ist die Nähe zum Original ein ganz besonderes Erlebnis. Obwohl David vor langer Zeit in Budapest Kunstgeschichte studiert hatte und seitdem ein Fan der Bilder von Hieronymus Bosch war, berührte ihn diese Begegnung unerwartet tief. Im Nachhinein fragte er sich lange, was er mit dieser Erfahrung und den Möglichkeiten generativer KI-Tools anfangen könnte. Wie es bei der Arbeit mit solchen Werkzeugen fast zwangsläufig ist, folgten zunächst unzählige Experimente.
Der Ungar ist es seit seinem Studium gewohnt, an der Schnittstelle zwischen Technik und Kunst zu arbeiten. Schon lange vor der KI beschäftigte er sich mit generierten Bildern, die er mit Programmiertechniken gestaltete. Viele seiner Arbeiten kreisten dabei um das Thema Erinnerung, das in den letzten Jahren vor allem im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen im Kontext alternder Gesellschaften immer stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist.
Doch es ist nicht nur der Zeitgeist, der ihn mit diesem Thema verbindet. Vor dem Hintergrund seiner Familiengeschichte visualisierte Szauder das Thema schon früher in Form von Porträts, in die er die Erinnerungen als eine Art Kopfschmuck einarbeitete.
Von der Inspiration zum Projekt
Auch die Bosch-Themen spielen sich mehr im Kopf als in der Realität ab, und so konnte er die Form der mit „Gedankenhüten“ illustrierten Porträts als Möglichkeit nutzen, die für ihn so faszinierenden Motivelemente aus Boschs „Garten der Lüste“ in neue, eigene Versionen umzusetzen. Bei der Zusammenarbeit mit einer Inneneinrichtungsfirma für eine Ausstellung in Budapest ergab sich die Gestaltung eines Messestandes. Die Wände sollten mit Motiven tapeziert werden, die eine von Bosch inspirierte Bildwelt zeigen. Hier drängte es sich förmlich auf, die Projektidee weiterzuführen und zu erweitern. Der Stand war ein Erfolg, und inzwischen bietet die italienische Tapetenfirma „Technografia“ eine Kollektion mit fünf dieser von Szauder entworfenen Motivtapeten an.
Das erste Motiv entstand Ende 2023. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine geeignete Software, um die 1024 mal 1024 Pixel großen Bilder für 15 mal 6 Meter breite Anwendungen aus den 1 Megapixel großen Midjourney-Ergebnissen hochzurechnen. Aus diesem Grund bestand das erste Motiv für den Messestand noch aus sich zeilenweise fortsetzenden Bildkacheln, die später mit großem Photoshop-Aufwand aneinander gefügt werden mussten. Die nun als Kollektion erhältlichen Motive ließen sich dank der Kombination von Midjourney 6, Magnific.ai und Topaz-Gigapixel mit weit weniger technischem Aufwand produzieren. Hinzu kommt, freut sich David Szauder: „Mit der neuen Photoshop-KI kann ich nun die Fehler anderer KI korrigieren.“
Weitere Adaptionen
Doch damit war sein KI-Bosch-Projekt noch nicht beendet, denn für ihn ist es wichtig, bei seinen Arbeiten persönlich zu werden, weshalb er Porträts bevorzugt, wie sie hier zu sehen sind. Inzwischen gibt es einige seiner Bosch-Motive auch als animierte Versionen in hochauflösenden Präsentationen. Die Arbeit mit bewegten Bildern kommt Szauder entgegen, denn er hatte schon seit den 90er Jahren viele Erfahrungen mit der 3D-Animations-Software Macromedia Director und gesammelt.
Solche vielseitigen Nutzungen von generativen KI-Tools und die Verbindung von Kunst und Technik verdeutlichen, wie Szauder kontinuierlich die Grenzen seines kreativen Schaffens erweitert und dabei stets Wege findet, seine Inspirationen zu verwirklichen.
David Szauder
Schon im zarten Alter von acht Jahren begann David Szauder mit einem Commodore C64 zu experimentieren. Ein Jahr später entdeckte er das Grafikprogramm Art Studio und gestaltete mithilfe eines Joysticks erste digitale Zeichnungen und Gemälde. Später studierte er Informatik, Kunstgeschichte und freie Kunst.
Mehr: www.davidarielszauder.com
Klick-Tipp
Als eine Art Tribut an Cindy Sherman kommentiert David Szauder alle paar Tage auf seinem Facebook-Account mit von ihm so genannten „KI-Personalisierungen“ aktuelle Entwicklungen, indem er sich in Motive aus Nachrichten, Werbung, Kunst oder (sozialen) Medien hineinmontiert.